Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, heißt es im Volksmund. Eine Weisheit, die auch Friedrich Merz bei seinem Antrittsbesuch im Weißen Haus beherzigte und die ihn vor Schlimmerem bewahrte. Der Bundeskanzler schwieg meist, während Donald Trump über sein Zerwürfnis mit Elon Musk, die Senilität seines Amtsvorgängers Joe Biden und die Genialität der eigenen Präsidentschaft räsonierte. Und doch war es am Ende der ungewohnt zurückhaltende Kanzler, der das Oval Office als heimlicher Sieger verließ. Es zahlte sich aus, dass Merz sich seit Wochen auf dieses Treffen vorbereitet hatte und in diesem Zusammenhang auch mit mehreren Regierungschefs sprach, die bereits Erfahrungen mit dem launigen US-Präsidenten gesammelt hatten. Ihr Rat: Unterbrich den Präsidenten nicht, lass ihn einfach reden und falls du doch was sagst, dann überschütte ihn mit Lobpreisungen. US-Präsident Donald Trump und Bundeskanzler Friedrich Merz. Foto: Graeme Sloan/Bloomberg Und genau das tat der Kanzler. Trump redete und redete, während Merz das Ganze verfolgte. Nur an einigen Stellen meldete er sich gezielt selbst zu Wort, beispielsweise als es um den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ging, den Trump lapidar als Prügelei zwischen zwei Jugendlichen abtat. Ohne den Präsidenten für dessen etwas seltsame Wortwahl zu kritisieren, wies Merz darauf hin, dass die USA, gemeinsam mit Europa, die Pflicht hätten, dem Töten ein Ende zu bereiten. Um seinen Punkt noch einmal zu betonen, wies der Kanzler darauf hin, dass am 6. Juni der Jahrestag des D-Day sei, der dank der US-Truppen der Anfang vom Ende der Nazi-Herrschaft war. “Das war kein schöner Tag für euch,” warf Trump ein. Merz korrigierte den US-Präsidenten derart dezent, dass dessen Fauxpas weitgehend unterging. Für ihn sei dies ein “Tag der Befreiung”, sagte der Kanzler. Und implizierte, dass die USA einen ähnlichen Kampf möglicherweise bald gegen Russland führen müssten. Am Ende war auch die Stimmung im Oval Office derart befreit, dass der US-Präsident sich beim Thema Verteidigung zu dem Scherz hinreißen ließ, dass es angesichts der deutschen Aufrüstung jetzt schon die ersten Stimmen gäbe, die vor einem wiederbewaffneten Deutschland warnten. “Wenn es für euch okay ist, werde ich mal ein Auge darauf haben”, witzelte Trump. Auch damit wird Merz gut leben können, verriet sein zufriedenes Gesicht. Daheim in Deutschland dürfte Merz’ erstaunlich harmonischer US-Besuch dem Kanzler nutzen und sein Ansehen steigern. Vor allem wird er all jene beruhigen, die den CDU-Chef für zu impulsiv und undiszipliniert für dieses Amt hielten. Mit seinem besonnenen Auftritt bei Trump hat Merz bewiesen, dass er durchaus auch in heiklen Situationen die Nerven behalten und den richtigen Ton treffen kann. Stellenweise wirkte er am Donnerstag im Weißen Haus fast schon so routiniert wie seine CDU-Vorgängerin und langjährige Intimfeindin: Angela Merkel. Lesen Sie auch eine Auswahl unserer Artikel dieser Woche: Späte Rechnung, Deals, Bittersüß, schwieriges Europa, ‘Swiftie’-Millionen. |